Andrea Morein – Works from the Brodskij Cycle
Fotografie I Zeichnung
Ausstellungsdauer 24. März – 29. April 2023
Samstag, 22. April 16.00 Alexandru Bulucz & Andrea Morein lesen ausgewählte Texte von Alexandru Bulucz & Joseph Brodsky
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl aus einem Werkzyklus, an dem ich 2007 begonnen habe zu arbeiten. Zwei Zeilen aus einem Gedicht von Joseph Brodskij sind hier als Titel sinngebend vorangestellt. In diesem ‚Kriegsjahr’ schien es mir geboten, die Arbeiten neu zu sichten und sie in einer aktualisierten Version zu präsentieren.
Die hier gezeigten Arbeiten sind im Dialog mit ausgewählten Gedichte und Textpassagen von Joseph Brodskij entstanden. Seine spröden, oft philosophisch geprägten Gedichte sprechen von der Vergänglichkeit unseres Lebens, von der Einsamkeit des Exils, von verzweifelten Sehnsüchten. Oft unterstellt er den Dingen, die er wahrnimmt, Verlogenheit oder entlarvt diese mit ironischem Scharfsinn. Generell ist der Ton eher düster.
Meine Reaktion auf die Lektüre seiner Texte brachte eine eigene visuelle Sprache hervor, schuf Formen aus Buchstaben. Ich habe eine ‚Architektur der Erinnerung‘ konstruiert, die sich in vertrauten Räumen durch die Anordnung der Möbelstücke oder dem Lichteinfall bestimmter Fenster einschreibt. Diese Erinnerungsräume sind oftmals mit der Lektüre bestimmter Autoren verbunden, deren Worte den Dingen eine zusätzliche Ebene aufprägen. Fotografien von Hockern und Sonnenschatten der Fenster als Muster am Boden verwandeln sich in schwebende Objekte und werden in einer weiteren, abstrahierenden Serie von Zeichnungen zu ‚Ovals and Grids’.
Der Werkzyklus erkundet verschiedene Perspektiven und Sehweisen von Realität. Von Fülle, von Struktur, von erinnerten Orten und letztlich von der Leere - der Abwesenheit von Dingen, von Menschen, von Anhaftung... Was ist real und was erscheint so? Welchen Umgang mit Fragen der Abbildung erforsche ich? ‘An image of reality is also an image of an image of reality…’, ein Motto, mit dem ich viele meiner Arbeiten überschrieben habe. Brodskijs Betrachtung und Umgang mit der Welt beleuchtet aus meiner Sicht ähnliche Aspekte.
Im Rahmen der Ausstellung findet eine Lesung statt, zu der ich den Dichter Alexandru Bulucz eingeladen habe. Er wird eigene Gedichte lesen und wir beide eine Auswahl aus Gedichten von Brodskij.( Datum s.o.)
Werkliste
Kopfwand
Bücherregalwand
Rechte Wand
Andrea Morein, geboren 1950 in Wien; seit 2020 zurück in Berlin nach Stationen in Tel Aviv, Java, Amsterdam & Köln. Interdisziplinäre Künstlerin & Kuratorin mit den Schwerpunkten Embodied Arts, Collage, Fotografie, gestischem Zeichnen. Sie untersucht, wie die persönliche Erfahrung der eigenen Geschichte erweitert & in ein größeres Gefühl von Gemeinschaft und Geschichtlichkeit eingebettet werden kann. Ein weiterer Aspekt ihrer künstlerischen & kuratorischen Praxis ist die visuelle Transkription von literarischen Texten sowie die Erforschung des Verbundenen in menschlichen & räumlichen Beziehungen. – Ausstellungstätigkeit seit 1997, u.a. Jüdisches Museum Wien, Kunstmuseum Bochum, Römisch-Germanisches Museum, Köln, Kibbutz Gallery & Artists House Tel Aviv, Museolaboratorio, Citta S. Angelo, Frauenmuseum Bonn. Gründung des Showrooms ODALISQUE, Berlin 2020. 2021 u.a. Kuration und Beteiligung ‚M-bodi-ment-A‘ -Gruppenausstellung im Projektraum des Deutschen Künstlerbundes, Berlin.
Joseph Brodskij, 1940 Leningrad - 1996 New York; Als junger Mann schon rebellierte Brodskij. Er wollte sich der sowjetischen Gesellschaftsordung nicht beugen und wurde schließlich nach vielen Haftstrafen und fünf Jahren Zwangsarbeit 1972 in die Fremde ‚entlassen’ . Er lehrte und lebte bis zu seinem Herztod in den USA. 1987 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Nach dem Ende des Sowjetregimes 1991, wollte er nicht in sein Geburtsland zurückkehren und sah daher seine Eltern, die in St. Petersburg lebten, lebend nie wieder. Brodskij liebte Architektur und speziell Fassaden alter Gebäude, deren Beschreibung häufig in seiner Dichtung vorkommen. Er ist in Venedig begraben.
Alexandru Bulucz, geboren 1987 in Alba Iulia; verbrachte seine Kindheit in Rumänien und lebt seit seiner Jugend in Deutschland. Er ist freischaffender Autor, Übersetzer, Kritiker und Herausgeber. Für seine Lyrik wurde er u.a. mit dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis beim Literarischen März (2019) ausgezeichnet, für seine Prosa mit dem Deutschlandfunk-Preis beim Bachmannwettbewerb (2022).